„Grand Hotel Wiesler“ in Graz: Spiel mit Konventionen

In diesem Haus ist einiges anders, die Moderne durchbricht die Tradition und die Suite unseres Kolumnisten (Capital Online) steckt voller Überraschungen. Ein spannendes Hotelkonzept, das bereits Mick Jagger und den Dalai Lama in die Steiermark lockte.

Nach knapp dreistündiger Fahrt von Salzburg treffe ich in Graz ein. Die wunderschöne Hauptstadt der Steiermark steht für eine Mischung aus Moderne und Tradition. In ihrem Zentrum, direkt an der Mur und in Bestlage befindet sich das „Grand Hotel Wiesler“. Wer die Lobby betritt, steht quasi mitten in – besser unter – einer Rauminstallation des steirischen, jedoch längst weltbekannten Künstlers Clemens Hollerer: „Jigsaw falling into place“ aus dem Jahr 2016. Sie besteht aus Holzlatten, teils zersplittert und mit Emailfarbe bemalt, die von der Decke in den Raum ragen. Als hätte ein Riese hier gerade Mikado gespielt. Ein Entrée, dessen Optik den eigenwilligen Charakter des gesamten Grandhotels prägt.

 

Als würde Wes Anderson hier Regie führen

Der Check-in hält eine Überraschung für mich bereit. Der Geschäftsführer des Hotels ist nämlich mein ehemaliger Ausbilder Michael Pfaller, und der führt wohl etwas im Schilde. An der Rezeption reicht mir ein junger Mann den Zimmerschlüssel. Grinst er dabei ein wenig? Ich laufe die Gänge rauf und runter, frage unterwegs eine Mitarbeiterin, doch das Zimmer 400 ist nirgends zu entdecken. Nach einer gefühlten Ewigkeit kehre ich zur Rezeption zurück, wo mir eine Managerin erklärt, eine Nr. 400 gäbe es schlicht nicht, das sei ein Scherz meines einstigen Ausbilders gewesen. Beim späteren gemeinsamen Mittagessen amüsiert sich Pfaller königlich über die vergebliche Zimmersuche des erfahrenen Hoteltesters.

Das Grand Hotel Wiesler gehört zur Weitzer Hotelgruppe mit Häusern und Restaurants in Graz, Wien, Salzburg sowie Semmering und wird von deren Eigentümer Florian Weitzer geführt. Er verfolgt eine bestimmte Vision mit diesem Hotel und entwickelte auch das Konzept dafür. Seit meiner Ankunft grübele ich, wie ich es beschreiben soll, dieses 1909 erbaute Haus mit seinen 102 Zimmern und drei Seminarräumen. Denn der Name „Grand Hotel“ trügt und wird weniger klassisch, eher abstrakt interpretiert. Die Schuhputzmaschine beispielsweise gehört eher in ein Vier-Sterne-Hotel und ist nicht sehr „Grand“. Es ist ein Spiel mit Klischees, mit Altem und Neuem, mit Tradition und Moderne.

Im Hotelrestaurant, dem „Salon Marie“, sind die Plätze wie in einem Bistro angeordnet und die Küche ist ebenfalls französisch angehaucht. Eine der Spezialitäten auf der Karte ist das „Cordon bleu deluxe“: ein Kalbsschnitzel erster Güte gefüllt mit Brie und Parmaschinken. Beim Interieur des Restaurants trifft zeitgenössische Kunst auf klassische Chesterfield-Ledersofas. Nicht zu vergessen, natürlich, die „Press for Champagne“-Klingel am Tisch. Allmählich schließt sich der Spannungsbogen dieses perfekt unvollkommenen Hotels und erscheint mir überaus stimmig. Die Vision von Florian Weitzer ist fulminant Wirklichkeit geworden.

Die Minibar steckt im Reisekoffer

 

Wie ein König fühle ich mich, als ich die alten, breiten Hotelgänge entlanggehe, die mich in ihrer Symmetrie an einen Film des Regisseurs Wes Anderson („The Grand Budapest Hotel“) erinnern. Die „Grande Suite“ hat es mir schwer angetan. Sie ist mit einer alten Schreibmaschine von Olympia und nostalgischen Theaterprogrammen aus meinem Geburtsjahr sehr stilvoll dekoriert. Beim genaueren Hinsehen entdecke ich immer mehr Spielereien: Der Kamin wird per Knopfdruck angefeuert und ist eigentlich eine Lampe. Überall im Haus fließt der Champagner, doch hier leuchtet Sherry im Dekanter. Der Fernseher hängt in einem goldenen Bilderrahmen, wie ein Kunstwerk. Die Minibar steckt in einem ledernen Reisekoffer, in den Regalen steht reichlich Literatur. Die Matratze des großen Bettes hat die ideale Härte. Das Bad ist mit einem roten Samtvorhang abgetrennt. Die Decke ist luftige vier Meter vom Parkettboden entfernt, der historisch wirkt, jedoch nicht knarzt. Die frei stehende Badewanne mit ihren geschwungenen, silbern blitzenden Füßen, in der ich später den Abend ausklingen lasse, ist ein Hingucker.

So könnte ich bestimmt noch eine halbe Ewigkeit weitermachen, der Detailreichtum des Wiesler ist schlicht beeindruckend. Ich fühle mich pudelwohl und blicke in meinem Chesterfield-Sessel sitzend durchs Erkerfenster über die Dächer von Graz. Nein, die „Grande Suite“ verlässt man wirklich ungern, doch Graz hat viel zu bieten, was ich mir nicht entgehen lassen will.

Prominente Gäste von Mick Jagger bis zum Dalai Lama

Die Altstadt ist pittoresk und besitzt herrliche, aufwändig renovierte Gebäude. Das unübersehbare Kunsthaus, auch „Friendly Alien“ genannt, fügt sich perfekt in die barocke Architektur ein. Die vielen Studierenden machen Graz zu einer jungen, bunten Stadt mit reichlich Kultur und Kunst. Auch zum Schloss Eggenberg sollten sie einen Ausflug planen. Nach einem längeren Spaziergang stimme ich dem Slogan vom Stadtmarketing ausdrücklich zu: „Wir dürfen alles. Wir sind Graz.“

Zurück im Hotel bemerke ich eine Wand mit Bildern von Prominenten. Klar, ich bin nicht der erste Gast im Wiesler, trotzdem ist die Bandbreite bekannter Namen beachtlich: Joe Cocker, Mick Jagger, der Dalai Lama. Keine Frage, dieses Hotel versprüht seinen ganz besonderen Charme rund um den Globus. (M)Eine klare Reiseempfehlung!

 

TIPPS FÜR DEN AUFENTHALT IN GRAZ

 

Der Steirer Graz: Die Küche dieses Restaurant versammelt zahlreiche köstliche Highlights der steirischen Küche. In gemütlichem Ambiente munden das Backhendl, diverse Tapas und die Weine der ausgezeichneten Karte noch einmal so gut.

Annenviertel: Im diesem lebendigen Schmelztiegel aus Kultur und Kulinarik finden Sie angesagte Cafés, spannende Streetart und wohlkuratierte Boutiquen. Besonders für Kunstliebhaber ist es einen Spaziergang wert.

Murinsel: Dieses schwimmende Eiland aus Stahl ist Fotomotiv, begehbares Kunstwerk und Event-Location zugleich. Der Künstler Vito Acconci verbindet darauf moderne Architektur mit idyllischer Natur.